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6 min readFeb 17, 2023

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Es ist bekannt, dass sich die EZB aktuell in der zweijährigen Investigationsphase des digitalen Euros befindet. Zum aktuellen Zeitpunkt stehen bereits einige Details über die mögliche Ausgestaltung des digitalen Euros fest. Gemäß dem aktuellen Zeitplan wird die Investigationsphase Ende September 2023 beendet sein und im EZB-Rat wird dann entschieden, ob und in welcher Form ein digitaler Euro eingeführt wird. Bereits jetzt können einige wichtige Aussagen getroffen werden. Dieser Artikel soll dazu dienen, die bisherigen Erkenntnisse zusammenzufassen und zu erläutern, inwiefern sich Banken mit dem digitalen Euro bereits auseinandersetzen sollten.
Autor: Eduard Grigorjan

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Eine der wichtigsten Entscheidungen rund um den digitalen Euro ist schon getroffen: Sollte ein digitaler Euro von der EZB ausgegeben werden, dann wird es aller Voraussicht nach ein Retail-CBDC sein, der insbesondere Privatpersonen als Zielgruppe hat. Dieser ist analog zum Bargeld zu betrachten und soll eine ergänzende Zahlungsmöglichkeit darstellen. Offene Fragen bestehen weiterhin über die vielen Ausgestaltungsmöglichkeiten des digitalen Euros: Wird es eine Haltegrenze geben und wie hoch wird diese sein? Auf welcher Technologie wird er basieren? Wie werden Nutzerdaten geschützt? Wird er programmierbar sein? Auf Basis von zwei Zwischenberichten zum bisherigen Fortschritt der Investigationsphase, veröffentlicht im September und Dezember 2022, können weitere Ableitungen getroffen werden (siehe Abbildung 1 für einen groben Zeitplan).

Anwendungsfälle und Rollen

Zuallererst wurden drei relevante Anwendungsfälle festgelegt, die insbesondere auch zwei politische Zielsetzungen als Grundlage haben: Die Harmonisierung der europäischen Zahlungslandschaft und die Stärkung der strategischen Autonomität des Euro-Raums. Die Anwendungsfälle umfassen:

  1. Direkte Zahlungen zwischen zwei Personen
  2. Zahlungen von Konsumenten an Unternehmen offline am Point-of-Sale oder online im E-Commerce für den Kauf von Produkten und Dienstleistungen
  3. Zahlungen von und an den Staat durch Bürgerinnen und Bürger

Mit der Auswahl von fünf Unternehmen (Amazon, CaixaBank, EPI, Nexi, Wordline), die Prototypen für das Interface der genannten Anwendungsfälle und deren Ausprägungen entwickeln, wird dieser Fokus verdeutlicht.

Darüber hinaus wurde die Rollenverteilung konkretisiert, wodurch eine möglichst trennscharfe Einordnung der Verantwortlichkeiten zwischen dem Eurosystem, den sogenannten Intermediären und Endnutzern geschaffen wurde.

Das Eurosystem umfasst die EZB und die nationalen Zentralbanken und ist zuständig für Ausgabe und Rücknahme des digitalen Euros, das Settlement von Transaktionen sowie das Onboarding und die Verwaltung von Intermediären.

Intermediäre werden definiert als Kreditinstitute, Zahlungsinstitute oder E-Geld-Institute und sollen zwischen dem Eurosystem und den Endnutzern agieren. Die Hauptverantwortlichkeit der Intermediäre ist es, jegliche Interaktion zwischen Endnutzern und dem digitalen Euro zu verwalten. Das umfasst vor allem das Endnutzer-, Liquiditäts-, und Transaktionsmanagement.

Endnutzer des digitalen Euros können Einzelpersonen, Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen sein. Diesen wird der digitale Euro zur Verfügung gestellt und sie können als Zahler oder Zahlungsempfänger auftreten.

Bestätigte Gestaltungsoptionen

Des Weiteren wurden bereits erste Gestaltungsoptionen des digitalen Euros festgelegt; weitere sollen in den kommenden Monaten folgen.

Eine dieser Optionen ist der Transfermechanismus für die Validierung von Zahlungen. Bei Offline-Zahlungen soll der Validierungsprozess Peer-to-Peer stattfinden, wobei die technische Machbarkeit noch unklar ist. Online-Zahlungen werden wie gewohnt mithilfe einer Drittpartei validiert. Aus experimentellen Gründen und mit niedrigerer Priorität wird noch die Möglichkeit von Peer-to-Peer validierten Online-Zahlungen geprüft.

Eine weitere und für Endnutzer sehr wichtige Gestaltungsoption ist die Privatsphäre. Diese soll gemäß eines Basisszenarios „mindestens ein Niveau bieten, das dem der derzeitigen digitalen Lösungen des Privatsektors entspricht.“ Eine volle Anonymität der Nutzerdaten wird vorerst ausgeschlossen. Beim ersten Onboarding zur Nutzung des digitalen Euros werden die Identitäten durch eine Drittpartei einmalig überprüft und Zahlungen sollen in Folge der Nutzung nur noch hinsichtlich AML/CFT-Zwecken Standardprüfungen durchlaufen. Demnach wird das Eurosystem keinen Zugang zu den persönlichen Daten der Endnutzer haben. Über dem Basisszenario hinaus werden Möglichkeiten ergründet, wie eine höhere Privatsphäre bei Zahlungen mit geringem Wert und Risiko und entsprechenden Offline-Zahlungen gewährleistet werden kann.

Die Offline-Verfügbarkeit soll Endnutzern ermöglichen, endgültige und unwiderrufliche Zahlungen ohne Netzwerkverbindung zu tätigen. Dabei erfolgt sowohl die Prüfung als auch die Erfassung der Zahlung ausschließlich durch die beiden Endgeräte der Endnutzer, die zum Zeitpunkt der Transaktion in unmittelbarer Nähe miteinander interagieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es Einschränkungen in der Höhe der Transaktionen sowie der Frequenz geben.

Gemäß des Distributionsmodells sollen Mechanismen zur Kontrolle der Umlaufmenge sowie die Verteilung des digitalen Euros geregelt werden. Hierzu wird insbesondere über gewisse Haltegrenzen auf Einzelnutzerbasis nachgedacht. Dies soll verhindern, dass der digitale Euro für Anlagezwecke genutzt wird, sondern nur als Zahlungsmittel fungiert. Ersteres hätte potenziell die Folge, dass große Mengen an Bankguthaben abgezogen werden und in einem risikofreien digitalen Euro ‚angelegt‘ werden. Die übergeordnete Zielsetzung dafür ist, die Finanzmarktstabilität zu wahren und weiterhin eine effektive Geldpolitik zu gewährleisten.

Das Eurosystem wird für das Settlement von Transaktionen zuständig sein. Da der Besitz des digitalen Euros seitens der Endnutzer mit einer direkten Forderung gegenüber der EZB einhergeht, ist diese angehalten, den digitalen Euro in der eigenen Bilanz auszuweisen. Im Rahmen des Settlements werden Transaktionen auf Ordnungsmäßigkeit geprüft und buchhalterisch erfasst.

Ergänzend dazu wird die Rolle der Intermediäre konkretisiert. Wie bereits beschrieben, fungieren Intermediäre als direkte Ansprechpartner für Endnutzer, sind aber auch gleichzeitig Distributoren des digitalen Euros. Innerhalb dieser Rolle sind sie insbesondere zuständig für die Kontenverwaltung und das Onboarding (Endnutzermanagement), das Liquiditätsmanagement (siehe Funding und Defunding) und alle konventionellen mit Transaktionen zusammenhängenden Prozesse, wie z.B. Zahlungsauslösung, Autorisierung, AML/CFT Überprüfungen, etc. (Transaktionsmanagement).

In der Gestaltungsoption Funding und Defunding geht es letztendlich um die Umwandlung von Bargeld oder Geschäftsbankengeld in digitale Euros und umgekehrt. Eine Besonderheit ist ein optionaler automatisierter Funding- bzw. Defunding-Mechanismus, welcher ermöglicht, dass Endnutzer Zahlungen erhalten können, obwohl diese eine mögliche Haltegrenze im Guthaben überschreitet, und umgekehrt Endnutzer eine Zahlung tätigen können, obwohl der Betrag das Guthaben auf dem digitalen Euro Konto übersteigt.

Die letzten noch zu bestätigenden Gestaltungsoptionen werden im Rahmen des dritten und letzten Zwischenberichts spätestens bis Ende des ersten Quartals 2023 erwartet.

Abbildung 1: Grober Zeitplan der relevanten Aktivitäten

Implikationen für Finanzinstitute

Basierend auf den bereits genehmigten Anwendungsfällen und deren Gestaltungsoptionen kann abgeleitet werden, dass voraussichtlich eine weitere Zahlungsmethode mit dem digitalen Euro eingeführt werden soll. Grundsätzlich entstehen für Banken verschiedene Fragestellungen im Hinblick auf Regulierung, zukünftige funktionale Rolle und typische Anforderungen rund um die prozessuale, strukturelle und technische Integration.

Aus regulatorischer Sicht wird die Europäische Kommission im zweiten Quartal 2023 einen Vorschlag zur Einführung und den Zielen des digitalen Euros vorlegen. Dabei können insbesondere Anpassungen im Hinblick auf Privatsphäre und AML/CFT-Regelungen sowie eine mögliche Einbettung in bestehenden Regulierungen entstehen.

Bezüglich der zukünftigen Rolle der Banken und jeglichen Integrationsthemen kann mehr Klarheit durch die Schaffung eines Digital Euro Scheme Rulebooks erwartet werden. Hierzu wurde bereits die Konzeption eines solchen Scheme Rulebooks angestoßen, welches die Regeln im Falle von Zahlungen mit dem digitalen Euro festlegt. Die Rolle der Intermediäre in Form von Kredit-, Zahlungs- oder E-Geld-Instituten und deren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zeigt bereits auf, dass auf Banken ein großer Aufwand zukommt. Entsprechend ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem digitalen Euro erforderlich.

Fazit

Viele Fragen zum digitalen Euro bleiben weiterhin offen und ohne Wasserstandsmeldungen von der EZB, kann aktuell lediglich spekuliert werden. Dennoch sind bereits grundlegende Entscheidungen hinsichtlich der konkreten Anwendungsfälle und Ausgestaltungsmöglichkeiten gefallen. Weitergehend wurden die nächsten Schritte und wichtige Meilensteine klar kommuniziert. Unter anderem soll bis spätestens Ende des zweiten Quartals 2023 ein finales High-Level Design des digitalen Euros vorliegen. Auf dieser Basis können Finanzinstitute initiale Planungen vornehmen, Vorbereitungen treffen und erste Schritte einleiten, um sich mit dem Thema digitaler Euro zu befassen.

Über intas.tech

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Eduard Grigorjan ist Senior Consultant bei intas.tech und verantwortlich für Themen rund um digitales Geld und blockchain-basierten Zahlungen. Er bringt mehr als zwei Jahre Berufserfahrung in der Beratung von Finanzinstituten mit und hat u.a. breite Zahlungsverkehrsexpertise im Rahmen eines der größten Zahlungsverkehrsprojekte europaweit aufgebaut. Sie können ihn via Mail oder LinkedIn kontaktieren.

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