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7 min readFeb 24, 2023

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Vor wenigen Tagen gab es im Bereich der Emissionen von blockchain-basierten Inhaberschuldverschreibungen einen neuen Meilenstein. Der Technologie-Konzern Siemens hat ein Kryptowertpapier in der Form einer Inhaberschuldverschreibung mit einem Emissionsvolumen von 60 Mio. Euro über die öffentliche Blockchain Polygon begeben. Zuvor gab es bereits ähnliche Emissionen, die u.a. von DekaBank, Hauck Aufhäuser Lampe und Deutsche Bank durchgeführt wurden. Das deutsche Gesetz über elektronische Wertpapiere hat hier bereits 2021 den gültigen Rechtsrahmen für derartige Emissionen gesetzt, wodurch nicht nur blockchain-basierte Wertpapiere begeben werden können, sondern auch eine Anpassung des Begebungsprozess vorgenommen werden muss, welcher auch die Beteiligung neuer Akteure erfordert.
Autorin: Sandra Sohn

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Das Gesetz über elektronische Wertpapiere als gültiger Rechtsrahmen

Das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) trat bereits am 10. Juni 2021 in Kraft und regelt die Emission und den Handel von digitalen Wertpapieren. Bei digitalen Wertpapieren nach eWpG wird die physische Globalurkunde, die bisher bei einem Zentralverwahrer (CSD) verwahrt werden musste, durch eine Eintragung in ein elektronisches (blockchain-basiertes) Register ersetzt. Das eWpG definiert dabei zwei Formen digitaler Wertpapiere, die sich direkt durch die technische und operative Darstellung der Registerführung unterscheiden:

  1. Elektronische Zentralregisterwertpapiere (§4 Abs. 2 eWpG):
  • Elektronische Zentralregisterwertpapiere werden in einem zentralen, elektronischen Wertpapierregister geführt. Das Gesetz wurde hier technikneutral formuliert, d.h. die Nutzung einer Blockchain als Infrastruktur ist möglich
  • Die Registerführung kann entweder von einem Zentralverwahrer (Börsenhandel nach CSDR möglich) oder einem Verwahrer (Lizenz Depotgeschäft) übernommen werden

2. Kryptowertpapiere (§ 4 Abs. 3 eWpG):

  • Kryptowertpapiere sind elektronische Wertpapiere, die in ein dezentrales Kryptowertpapierregister eingetragen sind. Obwohl auch hier das Gesetz technikneutral formuliert ist, entsprechen die Anforderungen an das dezentrale Kryptowertpapierregister, den Eigenschaften der Blockchain-Technologie
  • Der Emittent benennt entweder einen Kryptowertpapierregisterführer oder gilt selbst als Registerführer. Für die Kryptowertpapierregisterführung bedarf es einer entsprechenden Lizenz, die von der BaFin erteilt wird. Eine börsenmäßige Handelbarkeit scheidet derzeit aufgrund entgegenstehender europarechtlicher Vorgaben (Art. 3 CSDR) aus.

Neue Rollenverteilung bei Wertpapieremissionen

Bei einer klassischen Finanzierung über den Kapitalmarkt über eine Inhaberschuldverschreibung, sind verschiedene Parteien involviert. Je nach Höhe der Emission (i.d.R. ab 200 Millionen Euro) muss neben Kanzleien und Unternehmensberatungen, auch ein sogenanntes Bankenkonsortium ausgewählt werden. Das Bankenkonsortium wir je nach Finanzprodukt u.a. nach Platzierungskraft, Research Kompetenz, regionaler Stellung, Erfahrung, etc. ausgesucht. Vor allem die Investorenansprache und das Netzwerk des Bankenkonsortiums zu institutionellen Investoren, stehen im Hauptaugenmerk. Institutionelle Investoren sind u.a. Banken, Versicherungen, Stiftungen, Pensionskassen, Vermögenverwaltungen, etc. und können häufig hohe Volumina investieren, was insbesondere bei Kapitalmarktemissionen von Emittenten bevorzugt wird.

Die Rollen, die das Bankenkonsortium, Wirtschaftsprüfer, Kanzleien und Unternehmensberatung im Vorfeld zur tatsächlichen Emission übernehmen, werden sich bei der Emission von Kryptowertpapieren bzw. einer blockchain-basierten Inhaberschuldverschreibung nicht zwingend verändern. Denn die Due Diligence, das Rating, die Erstellung von Research, Equity Story, Marketingpräsentationen, Wertpapierprospekt und das Pre-Sounding/Investor Education bis zur Investorenansprache, findet erstmal losgelöst von der technischen Infrastruktur der eigentlichen Emission statt. Der eigentliche Mehrwert, der durch die Einführung von Kryptowertpapieren entsteht, wird erst in der technischen Emission bzw. in der Abwicklungsphase und im Handel deutlich. Denn hier findet eine Umverteilung der Zuständigkeiten statt und die derzeitigen Intermediäre wie der Zentralverwahrer, werden ersetzt und neue Parteien werden in den Prozess aufgenommen. Insbesondere:

Registerführer: Innerhalb des gesetzlichen Rahmens des eWpGs wird unabhängig von der Art des digitalen Wertpapiers, eine registerführende Stelle benötigt, die den Zentralverwahrer ersetzt und den Übertrag der digitalen Wertpapiere regelt. Außerdem ist der Registerführer verantwortlich für die Bereitstellung der Emissions- und Anlagebedingungen und für die lückenlose Dokumentation der Registerdaten.

Wallet-Provider/Sicherung der Private Keys: Da bei Kryptowertpapieren, das Recht in digitaler Form verbrieft und auf einer Blockchain in Form eines Tokens gespeichert wird, werden für die Emission und die Investition sogenannte Wallets erzeugt. Ein Wallet setzt sich aus einem Public Key (entspricht im übertragenen Sinne der Depotnummer) und einem Private Key (Zugangsschlüssel zum Depot) zusammen. Der Private Key muss gesichert werden, denn er gibt Zugang zu den entsprechenden Kryptowertpapieren, die einem Public Key („Depot“) zugeordnet sind. Anders als bei Krypto-Assets wie Bitcoin und Co. unterliegt die Verwahrung von Kryptowertpapieren dem Depotgeschäft und nicht der Kryptoverwahrung. Banken mit entsprechender Lizenz benötigen für die Sicherung der Private Keys allerdings eine entsprechende technische Infrastruktur oder können diese wiederum an einen lizenzierten Kryptoverwahrer auslagern, der die Private Keys speichert.

Zahlstelle: Die Zahlstelle ist ein Kreditinstitut, welches ebenfalls Teil des Bankenkonsortiums ist und fungiert als Ansprechpartner und Koordinator für externe Stellen und ist außerdem für die Abwicklung von Dividenden (Aktien) und Zinszahlungen (Anleihen) zuständig. Die Zahlstelle wird vom Emittenten als einzige Stelle dazu ermächtigt, Zahlungen für eine Wertpapierkategorie auftragsgemäß in dessen Namen und auf dessen Rechnung auszuführen. Durch die Abwesenheit eines blockchain-basierten digitalen Euros, wird auch bei einer Emission von Kryptowertpapieren eine Zahlstelle im traditionellen Sinne benötigt, da die Zahlungen weiterhin im klassischen Wege durchgeführt werden müssen. Je nach Ausgestaltung kann die Registerführung auch Zahlstellenfunktionen umfassen.

Abbildung 1: Von traditionellen Primärmarkttransaktionen zu Kryptowertpapieren

Vorteile für Finanzinstitute und Emittenten

Der Wechsel zu blockchain-basierten Emissionen von Kryptowertpapieren eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten sowie Kosteneinsparung- und Ertragspotenziale für Finanzinstitute, insbesondere für die, die bereits im traditionellen Wertpapieremissionsprozess involviert sind. Die Registerführung und Begebung von Kryptowertpapieren können je nach Ausgestaltung auch von verschiedenen Einheiten einer Organisation übernommen werden, um die gesamte Wertschöpfungskette im eigenen Haus abzubilden (Eliminierung Kosten für die physische Globalurkunde und die Verwahrung beim Zentralverwahrer). Zusätzlich kann die Kryptowertpapierregisterführung als neue Serviceleistung für Dritte ins Produktangebot aufgenommen werden. Durch die Digitalisierung und Dematerialisierung des Emissions- und Abwicklungsprozesses können darüber hinaus verschiedene bestehende Prozesse (z. B. Berechnung von Quellensteuer und Provisionen, Corporate Actions, etc.) automatisiert und bisher notwendige Abstimmungsaufwände minimiert werden. Durch den frühzeitigen Aufbau blockchain-basierter Infrastruktur (z.B. das technische Setup für die Kryptowertpapierregisterführung), können insbesondere Kreditinstitute ein ganzheitliches Produktangebot etablieren (Kryptowertpapierregisterführung, Wallet-Provider + Zahlstelle).

Auch auf Seite des Emittenten können durch den Wegfall der Globalurkunde und den Effizienzgewinnen bei den Depotbanken / Registerführern Kosten reduziert werden. Je nach Ausgestaltung ist auch ein direkter Verkauf an (institutionelle) Investoren ohne den Zwischenverkauf an Banken möglich (Abhängig von der Platzierungskraft des Emittenten). Zukünftig werden außerdem neue Vertriebswege entstehen z.B. durch die Anbindung neuer digitaler Handelsplätze, insbesondere zum Erreichen von Retail-Kundinnen sowie den Zielgruppen Y, Z und jünger mit blockchain-basierten Wertpapieren.

Abbildung 2: Potenziale von Kryptowertpapieren

Sekundärmarkt und DLT Pilot Regime

Allerdings beziehen sich diese Vorteile überwiegend auf die Primärmarktemission. Im Hinblick auf den Sekundärmarkt zeigt sich schnell ein noch bestehendes Hindernis: Für Kryptowertpapiere gibt es noch keinen gesetzlich erlaubten Handel am organisierten Markt. Bisher können diese ausschließlich OTC, also außerbörslich gehandelt werden, was wiederum die Liquidität der Wertpapiere stark einschränkt.

Dieses Hindernis kann allerdings mit dem Eintreten des DLT Pilot Regimes am 23. März 2023 überwunden werden. Das DLT Pilot Regime wird den Handel und die Abwicklung von blockchain-basierten Wertpapieren in der gesamten Europäischen Union ermöglichen und regulieren. Mit dem DLT Pilot Regime wird eine “regulatorische Sandbox” eingeführt, die es zugelassenen Unternehmen ermöglicht, blockchain-basierte Handelssysteme und/oder Abwicklungssysteme (blockchain-basierte Marktinfrastruktur) zu betreiben. Zu diesem Zweck sollen vorübergehend Ausnahmen von einigen Anforderungen gelten, die Betreiber solcher Marktplätze normalerweise erfüllen müssen. Das DLT-Pilotregime wird ab dem 23. März 2023 für drei Jahre gelten, mit der Option auf eine Verlängerung um weitere drei Jahre.

Das Konzept der blockchain-basierten Marktinfrastruktur umfasst:

  • Ein DLT-multilaterales Handelssystem (DLT MTF)
  • Ein DLT-Abwicklungssystem (DLT SS)
  • Ein kombiniertes DLT-Handels- und Abrechnungssystem (DLT TSS)

Unternehmen, die nicht bereits als Zentralverwahrer (CSD) oder Wertpapierfirmen reguliert sind, können eine entsprechende Genehmigung und gleichzeitig eine Sondergenehmigung im Rahmen des DLT Pilot Regimes beantragen. Die nationale Behörde prüft dann nicht, ob die Anforderungen für Zentralverwahrer oder Wertpapierfirmen erfüllt sind, sondern ob die blockchain-basierten Marktinfrastrukturen in Übereinstimmung mit dem DLT Pilot Regime betrieben werden. Auf diese Weise ermöglicht das DLT Pilot Regime sowohl etablierten als auch neuen Marktteilnehmern, eine blockchain-basierte Marktinfrastruktur aufzubauen und zu betreiben.

Fazit

Stand 20.02.2023 wurden bereits 23 Kryptowertpapiere emittiert und bei der BaFin registriert. In den letzten Jahren hat sich der Markt der blockchain-basierten Wertpapieremissionen sehr stark professionalisiert. Das zeigt insbesondere auch die neuste Kryptowertpapier-Emission von Siemens in Form einer Inhaberschuldverschreibung auf einer öffentlichen Blockchain.

Bei derartigen Emissionen gibt es einiges zu beachten, insbesondere in der Auswahl des passenden Setups (Kryptowertpapierregisterführer, Wallet-Provider (Technologieanbieter und Setup), Plattform, Zahlstelle, Blockchain (öffentlich, private, permissioned), Durchführung der Corporate Actions, etc.). Insbesondere sollten für Finanzinstitute auch die Veränderung des eigenen Geschäftsmodells und die strategisch sinnvolle Positionierung in diesem wandelnden Marktumfeld im Fokus stehen, denn obwohl noch Bestandteile wie ein regulierter Sekundärmarkt fehlen, ergibt sich bereits jetzt die Chance, nicht nur ein, dem eigenen Geschäftsmodell entsprechendes, Setup aufzubauen, sondern auch das entsprechende Serviceangebot zu etablieren.

Gerne helfen wir bei der strategischen Bewertung der verschiedenen Anwendungsfälle und Positionierungsmöglichkeiten sowie der Durchführung eines technischen Proof-of-Concept mit unseren Kooperationspartnern, um im ersten Schritt mit der neuen Infrastruktur vertraut zu werden und die Auswirkungen auf interne Prozessabläufe und IT-Infrastrukturen zu evaluieren.

In unserer Kommunikation haben wir uns für die Verwendung einer geschlechtersensiblen Sprache entschieden, d.h. wir verwenden bei Personenbezeichnungen und Personennamen gleichermaßen sowohl die weibliche als auch die männliche grammatikalische Form. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter (w/m/d).

Über intas.tech

intas.tech fokussiert sich als Beratung für Finanzinstitute und Vermögensverwalter auf die strategische Bewertung von Blockchain-Einsatzmöglichkeiten sowie die Integration von Digital Assets in existierende Geschäftsmodelle und IT-Infrastrukturen. Als Joint Venture der Frankfurt School und Plutoneo Consulting, kombiniert intas.tech Blockchain-Knowhow und Expertise im traditionellen Finanzsektor.

Sandra Sohn ist Chief Strategy Officer bei intas.tech und hat über fünf Jahre Erfahrung im Privatbankensektor, inkl. Verantwortung für die Entwicklung von Investitionslösungen im Bereich Blockchain & Digital Assets sowie den Aufbau blockchain-basierter Infrastruktur unter Beachtung der rechtlichen Situation in Deutschland. Sie können sie via Mail oder LinkedIn kontaktieren.

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Leading in blockchain consulting for the financial industry, focusing on integrating and handling crypto-assets.